… die Zeit sein lassen …



Vor ein paar Tage schickte mir ein Freund ein ‚altes Foto‘, dass er in seinem Archiv gefunden hat. Es ist von 2004 und wurde auf der Weihnachtsfeier des Freundeskreises gemacht. Ich mit gelockten längeren roten Haaren und - bis auf Helmut - habe ich mit den Menschen auf dem Bild keinen Kontakt mehr … Doch es rief gleich ein paar Erinnerungen hervor.

Im darüber nachdenken – also dem vergehen der Zeit – erschreckte ich regelrecht. Es ist bald Ende Januar 2018. Wo ist 2017, 2016 etc. geblieben? Alltagstrott und Pflichterfüllung lassen manchmal das Gefühl aufkommen, ich habe überhaupt nichts Besonderes erlebt! Gleichwohl, ich versuche es ja, mein Leben nicht so durchzutakten und durchaus Spielraum für Unerwartetes zu lassen. Aber es ist auch notwendig Pläne zu haben, zu machen. Sonst funktioniert der Alltag, die Koordination aller Pflichten und ‚Möchten‘ nicht. Und schnell verliere ich mich im day-to-day-business. Und dann kommt das Gefühl: wirklich etwas erleben tu ich selten.

Kürzlich sah ich beim Spazieren gehen ein paar Kinder auf einem Spielplatz und ich dachte: bei denen ist das anders. Die finden fast alles spannend und erleben viel. Ich glaube, das liegt daran, dass sie nichts mit Zeit anfangen können. Sie kennen nur das Hier und Jetzt. Und da leben sie. Klar nehmen sie sich auch mal was vor. Aber Kinder erleben vor allem den Augenblick. Irgendwie gefällt mir das. Manchmal wünsche ich mir, dass ich das auch besser könnte. Denn ich weiß doch nicht wirklich, was morgen passiert. Oder wie viel Zeit ich überhaupt noch habe. Trotzdem tu ich manchmal so, als hätte ich noch ewig davon.

Andererseits … Manche Leute lieben ja den Spruch: Heute ist der erste Tag vom Rest deines Lebens!. Also, lebe jeden Tag so, als ob es dein letzter wäre. Sie fühlen sich dadurch angeregt, ihr Leben bewusster und genussvoller zu gestalten.
Doch auch das will irgendwie bei mir nicht recht funktionieren. Zweifellos ist es tatsächlich so, dass heute der erste Tag vom Rest meines Lebens ist, trotzdem möchte mir das nicht täglich bewusstmachen. Ich finde es unglaublich anstrengend, jeden Tag so zu leben, als ob ich morgen sterben müsste. Offen gestanden finde ich es manchmal auch ganz schön, einfach so vor mich hin zu leben. Im Sonnenschein mit dem Hund Gassi gehen, mich mit Freunden treffen plaudern etc. - das ist wunderbar entspannend und erholsam, aber gewiss ziemlich frei von tieferem Sinnwert. Wenn ich mir in dieser Situation bewusst machte, dass am nächsten Tag der finale Abschied von der Welt anstünde, dann verlöre all dies wohl seinen Charme. Und ich mag ab und an seichte Filme im Fernsehen oder ich surfe sinnfrei durchs Internet – und schlage halt nicht eine wertvolle Zeitschrift auf oder lese ein literarisch wertvolles Buch.

Ich glaube: Wir Menschen sind nicht für den permanenten Tiefsinn geschaffen. Wir brauchen manchmal sinnfreie Entspannung. Wahrscheinlich haben schon die Neandertaler gelegentlich die Zeit totgeschlagen. Vielleicht ist es geradezu ein Zeichen höherer Kultur, ab und zu die Kultur Kultur sein zu lassen und einfach so zu sein, ein die Sonne genießendes Lebewesen, und so zu tun, als ob dieses Leben endlos wäre. 

Je älter ich werde, desto mehr genieße ich gerade diese leichten Stunden meines Lebens. Sie sind so wenig selbstverständlich wie ein sonniger Frühlingsnachmittag, an dem man tatsächlich gar nichts zu tun hat. Auch nicht die Aufgabe, dem Tag einen besonderen Sinn zu verleihen. Denn den hat er ja schon. Geschenkt.

Und gleichwohl ich keine zehntausend Jahre zu leben habe - so wie ein Riesenschwamm im Südpolarmeer – sind sie wichtig, die Mußestunden. Ganz davon abgesehen, dass ich nicht bei -2° auf dem dunklen Meeresboden leben will.
Lange zu leben ist das eine. Gut zu leben das andere. Gut leben. Für mich hat das zwei Seiten: Ich will nicht so tun, als ob ich zu allem noch Jahrhunderte Zeit hätte. Ich will aber auch nicht immer hektischer alles mitnehmen, was ich nur kriegen und erleben kann, weil ich in meiner begrenzten Lebenszeit ja noch so viel unterbringen will. 

Gut leben. Meine Lebenszeit als Geschenk betrachten. Heute darauf achten, was dieser Tag für mich bereithält. Sicher nichts Weltbewegendes. Vielleicht einen überraschenden Anruf oder einfach ein Lächeln. Und heute Abend Danke sagen, auch wenn nicht alles so war, wie ich’s mir gewünscht hätte. 

Und das eben: Heute, nicht morgen. Und das eben: leicht und ohne Tiefgang – Und dann eben trotzdem ein wundervoller wertvoller Tag.

As always
Thank you for your time
Wiebke

Pause


Fundstück: Schweigen meint nicht bloß, dass ich nicht rede, sondern dass ich die Fluchtmöglichkeiten aus der Hand gebe und mich aushalte, wie ich bin. Ich verzichte nicht bloß auf das Reden, sondern auch auf all die
Beschäftigungen, die mich von mir selbst ablenken. Im Schweigen zwinge ich mich, einmal bei mir zu sein. Wer das versucht, der entdeckt, dass es zunächst gar nicht angenehm ist. Es melden sich da alle möglichen Gedanken und Gefühle, Emotionen und Stimmungen, Ängste und Unlustgefühle. Verdrängte Wünsche und Bedürfnisse kommen ans Licht, unterdrückter Ärger steigt hoch, ausgelassenen Chancen, nicht gesagte oder ungeschickt gesagte Worte fallen einem ein. Die ersten Augenblicke des Schweigens enthüllen uns oft unser inneres Durcheinander, das Chaos unserer Gedanken und Wünsche. Es ist schmerzlich, dieses Chaos auszuhalten. Wir stoßen auf die inneren Spannungen, die uns ängstigen. Doch im Schweigen können diese Spannungen nicht abfließen. Schweigend entdecken wir, wie es um uns steht. Das Schweigen ist wie eine Analyse unseres Zustandes, wir machen uns nichts mehr vor, wir sehen, was in uns vorgeht. (Anselm Grün)

Von Neuanfang und guten Vorsätzen …



Wer war eigentlich Silvester, der bekannteste aller Tagesheiligen? Er kam um das Jahr 250 in Rom zur Welt und wurde zum Priester geweiht, während Kaiser Diokletian an der Macht war. Als der eine der schlimmsten Christenverfolgungen durchführte, musste Silvester einige Jahre in einem Versteck auf dem Monte Soracte bei Rom verbringen, unter ständiger Lebensgefahr. 313 war die Gefahr vorbei. Inzwischen war Kaiser Konstatin auf dem Thorn, und das Blatt wendete sich komplett. Der Kaiser wurde Christ. Nur wenig Wochen danach wurde Silvester zum neuen Papst gewählt. Dadurch ist er der ideale Patron für einen glücklichen Neuanfang. Silvester starb am 31. Dezember 335 hochbetagt in Rom.

Ja, viele denken und sagen, Silvester ist ein guter Zeitpunkt, Altes abzuschließen und Neues anzufangen. Und grundsätzlich finde ich das auch ….

Doch was fangen wir neu an? Die Jahreszahl ändert sich, von 2017 auf 2018 und ein neues Jahr liegt vor uns. In der Zeitung lese ich »Alles wird anders«. Mit anderen Worten, es wird ein Jahr großer Veränderungen - also ist es ein Jahr wie jedes andere Jahr. Denn Leben ist Veränderung, in Beständigkeit.
Doch so gerne finden wir uns im Festhalten wieder, an Dingen, Situationen und Menschen, an Schuldzuweisungen, Ängsten und Glaubensätzen. Wir halten uns an allerlei Dingen fest und hoffen und fordern gar, dass sich die schmerzlichen, unverständlichen und unfairen Situationen um uns ändern. Dies damit wir wieder in Glück und Zufriedenheit leben.
Doch so funktioniert es nicht ganz. Denn, was Du im Außen findest, ist in Wahrheit in Dir selbst. Du begegnest immer nur Dir selbst.

Und wie heißt es so schön: Die guten Vorsätze fürs neue Jahr reichen meist nicht bis zum 12 Glockenschlag in der Silvesternacht! Der Satz stimmt mich nachdenklich und ich überlege, welche Vorsätze sich die Menschen so machen und warum sie meinen, dass immer nur der Jahresanfang ein Anfang ist. Ist das nicht jeder Morgen?

Ich gebe es zu, ich halte nicht viel von Neujahrsvorsätzen – aber durchaus davon, sich etwas vorzunehmen. Und das muss nicht immer unbedingt eine große Umwälzung sein.

Ich wage mich, mir für dieses Jahr vorzunehmen:
Dankbarer zu sein! Einfach mal dankbar sein, für alle Probleme, die ich nicht habe.
Dankbar dafür dass ich gesund bin, gehen und sprechen kann, das ich ein warmes, weiches Bett habe und ein Dach über dem Kopf– keine Selbstverständlichkeit!
Mir meiner selbst bewusster werden! Auf mich, meine Gefühle, meine Bedürfnisse achten! Mir wichtig und etwas wert sein. Mir vertrauen und etwas zutrauen.
Öfter und besser zuhören! Mich selber nicht in den Mittelpunkt stellen! Aber auch selbst offener zu kommunizieren. Sagen, was gut und was weniger gut ist. Mich nicht hinter dem Schweigen verstecken.
Gnädiger sein im Umgang mit mir selber! Weniger selbstkritisch, weniger perfektionistisch und anspruchsvoll. Ebenso will ich gnädiger sein im Umgang mit anderen und öfter verzeihen!
Meine Stärken sehen und leben. Aber mich auch meinen Ängsten stellen und den Schatten …

Wie wirst Du im neuen Jahr Deinen Schatten begegnen? Hast Du bereits erfahren, wie kraftvoll es ist, Schatten in Licht zu verwandeln? Also, wirst du dein Leben in diesem neuen Jahr beim Schopf packen?
Oder machst du eher auf gemütlich? Doch dann könnte es passieren, dass dein Leben ungenutzt vorbeizieht und du es verpasst.

Schau hin, bleib bei Dir, begrüße Veränderung und gehe mit dem Leben mit.

Ich wünsche Dir einen glänzenden und wundervollen Einstieg in das neue Jahr. Und für die nächsten 361 Tage viele Lichtblicke, erfüllende Ausblicke und spannende Einblicke und immer auch den Blick für das Wesentliche.

As always
thank you for your time
Wiebke